In der Welt der Psychoanalyse hat der Begriff „Abwehrmechanismus“, eingeführt von Sigmund Freud, eine zentrale Bedeutung. Diese Mechanismen stellen Strategien des Ichs dar, um mit den Trieben und Bedürfnissen umzugehen, die vom Über-Ich (dem Gewissen) als inakzeptabel bewertet werden. Abwehrmechanismen wirken weitgehend unbewusst und beeinflussen unser Denken, Fühlen und Handeln, ohne dass wir uns dessen bewusst sind. In diesem Beitrag werden wir die verschiedenen Arten von Abwehrmechanismen beleuchten, ihre Funktion analysieren und diskutieren, wie sie unser Verhalten im Alltag prägen können.
Inhaltsverzeichnis
Was sind Abwehrmechanismen? Eine Definition
Sigmund Freud ging davon aus, dass Abwehrmechanismen ein natürlicher Bestandteil des menschlichen Alltags sind und von jedem Menschen tagtäglich eingesetzt werden. (Quelle: Freud, S. (1936). The problem of anxiety. New York: Norton.) Er postulierte jedoch, dass eine übermäßige Fixierung auf bestimmte Abwehrmechanismen auf eine psychische Störung hinweisen kann.

Psychische Erkrankungen sind demnach nicht zufällig, sondern erfüllen einen Zweck. Der Betroffene versucht sich durch sie mitzuteilen und durch die auftretenden Symptome etwas auszudrücken.
Abwehrmechanismen: Unbewusste Prozesse zur Bewältigung von Angst
Abwehrmechanismen sind unbewusste psychische Prozesse, die dazu dienen, Angstgefühle abzuwehren und das psychische Gleichgewicht aufrechtzuerhalten. Je nach Intensität und der bevorzugten Abwehrstrategie kann dieses Verhalten jedoch zu Selbsttäuschungen unterschiedlichen Ausmaßes führen. Betroffene erleben die Realität dann verzerrt, und es kommt zu einer selektiven Wahrnehmung, die die Verschiebung von Affekten und Impulsen ermöglicht.
Durch Abwehrmechanismen wird verhindert, dass schmerzhafte, unlustvolle, inakzeptable oder bedrohlich wirkende Impulse auf die Bewusstseinsebene gelangen. Diese Impulse können vielfältig sein und Angst, Aggressionen, Minderwertigkeitskomplexe, Schuldgefühle oder ein Gefühl der Überforderung und Orientierungslosigkeit umfassen. Je nach Art des Abwehrmechanismus werden die jeweiligen Inhalte dem Bewusstsein vollständig entzogen oder auf ein geringeres Maß reduziert.
Die Vielfalt der Abwehrmechanismen: Ein Überblick
Sigmund Freud identifizierte neun Arten von Abwehrmechanismen. Im Laufe der Jahre haben jedoch andere Vertreter der Psychoanalyse und Psychotherapie diese Liste modifiziert, erweitert und präzisiert. Heute werden in der Fachwelt folgende Abwehrmechanismen unterschieden:
Fixierung: Die Fixierung beschreibt das unbedingte Festhalten an bestimmten Ritualen, Denkmustern und Verhaltensweisen. Im Sinne von „Das haben wir schon immer so gemacht!“ geht die Fähigkeit verloren, flexibel zu denken, zu fühlen und zu handeln. Freud ging davon aus, dass die psychosexuelle Entwicklung eine wesentliche Rolle spielt, die die moderne Psychoanalyse differenzierter sieht.
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Fixierung: Die Fixierung beschreibt das unbedingte Festhalten an bestimmten Ritualen, Denkmustern und Verhaltensweisen. Im Sinne von „Das haben wir schon immer so gemacht!“ geht die Fähigkeit verloren, flexibel zu denken, zu fühlen und zu handeln. Freud ging davon aus, dass die psychosexuelle Entwicklung eine wesentliche Rolle spielt, die die moderne Psychoanalyse differenzierter sieht.
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Identifikation: Die Identifikation beginnt oft mit der Bewunderung eines Idols. Sie kann zur Konfliktlösung dienen, indem sich die betreffende Person mit ihrem Vorbild gleichsetzt und versucht, dessen Lebens- und Verhaltensweisen zu übernehmen. Auch hier wird versucht, das eigene Ich durch die Persönlichkeit des Vorbildes zu ersetzen. Dies kann jedoch krankhafte Züge annehmen und findet sich auch in Beispielen aus der Kriminalgeschichte.
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Projektion: Nach Sigmund Freud ist die Projektion ein Abwehrmechanismus, bei dem eine Person die eigenen, nicht zu ertragenden Fantasien, Gefühle, Wünsche und Zwänge einer anderen Person zuschreibt. Dies betrifft vor allem jene Eigenschaften, die der gesellschaftlichen Norm zuwiderlaufen. Persönliche Konflikte sind hier vorprogrammiert. Die Projektion kann aber auch ganze Gruppen betreffen und zur Ausgrenzung und Verfolgung von Andersdenkenden bis hin zu kriegerischen Auseinandersetzungen führen.
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Konversion: Die Konversion ist einer der schwerer erklärbaren Abwehrmechanismen. Hier macht sich ein innerer psychischer Konflikt durch körperliche Symptome bemerkbar. Der Konflikt wird durch das Bewusstsein nicht akzeptiert und in ein körperliches Symptom „konvertiert“. Dabei kann es sich um Blindheit, Taubheit, Lähmungen oder Krampfanfälle handeln. Ein Beispiel ist die Frau, die die Untreue ihres Mannes „nicht sehen will“ und tatsächlich ihr Augenlicht verliert, obwohl Mediziner keine körperliche Ursache feststellen können.
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Introjektion: Die Introjektion beschreibt die vollständige Verinnerlichung von Werten und Moralvorstellungen während der Sozialisation eines Menschen. Traditionen, Ansichten und Wertvorstellungen werden von außen vorgegeben und vom Kind unbewusst übernommen. Dies ist in einem gewissen Maße notwendig, um sich mit Eltern, Familie und der zugehörigen Gruppe zu identifizieren. Aber auch radikale religiöse und politische Einstellungen können auf diese Weise „vererbt“ werden.
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Rationalisierung: Die Rationalisierung ist ein psychischer Prozess, bei dem versucht wird, eigenen Erfahrungen, Beobachtungen und Erlebnissen nachträglich eine rationale Grundlage zu geben. Wahre Gründe, die man selbst nicht akzeptieren will, treten in den Hintergrund und werden durch andere ersetzt. Die „schwere Kindheit“ ist ein oft genanntes Beispiel. Aber auch der Autofahrer, der die Schuld für einen Unfall der alten Dame gibt, die vermeintlich unaufmerksam die Straße überquert hat, rationalisiert sein Verhalten, um sein Gewissen zu beruhigen.
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Reaktionsbildung: Die Reaktionsbildung beschreibt das Abwehren nicht akzeptierter Triebregungen. Ein bestimmter Triebimpuls wird durch das Unterbewusstsein abgewehrt, indem ein gegenläufiges Verhalten stattfindet. Es kann sich um ein temporäres Hassgefühl gegenüber einer geliebten Person handeln – oder um Sorgen, die man sich um eine ungeliebte Person macht.
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Regression: Mit Regression ist eine Rückbildung gemeint. In der Psychologie wird sie als Rückentwicklung verstanden. Die Person zieht sich (zumindest temporär) auf eine frühere Stufe der Persönlichkeitsentwicklung zurück, insbesondere in Situationen, in denen sie überfordert ist.
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Reversion: Die Reversion beschreibt die Verkehrung ins Gegenteil. Triebe können während der kindlichen Entwicklung ins Gegenteil umschlagen. Womöglich hängt die Reversion mit dem Übergang von der Aktivität zur Passivität zusammen. Bestimmte Bedeutungsinhalte ersetzt das Ich durch ihr Gegenteil: Sado-Masochismus, Hass-Liebe, Aggression und übertriebene Fürsorge sowie Voyeurismus und Exhibitionismus sind Beispiele. Auch Abwehrmechanismen wie Projektion und Verdrängung lassen sich durch die Reversion verstärken.
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Sublimierung: Die Sublimierung bedeutet, dass die Person eigene Wünsche und Bedürfnisse, die vermeintlich im Widerspruch zu gesellschaftlichen Normen stehen, selbst untersagt. Dafür engagiert sie sich aber besonders sozial und auf eine Weise, die gesellschaftlich ein Höchstmaß an Respekt und Achtung erfährt. Ein Beispiel ist der Mensch, der sich seine vermeintlich abnormalen Vorlieben untersagt, um sich stattdessen in der Tafel zu engagieren.
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Ungeschehen-machen: Betroffene tun so, als seien bestimmte Verhaltensweisen, Wünsche, eigene Gedanken oder Erlebnisse nie geschehen. Auf diese Weise versucht das Unterbewusstsein, die eigenen, nicht akzeptierten Triebe abzuwehren. Oft geht dieses Ungeschehen-machen mit Zwangshandlungen einher.
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Verdrängung: Die Verdrängung beschreibt einen Abwehrmechanismus, der tabuisierte Gefühle und Bewusstseinsinhalte schlicht nicht akzeptieren kann. Typische Beispiele finden sich im Bereich der Sexualität: Zahlreiche Vorlieben finden keine gesellschaftliche Akzeptanz und werden daher auf eine Verbotsliste gesetzt. Allerdings verbleiben diese Emotionen im Unterbewusstsein, können das Leben erheblich beeinflussen und sich irgendwann Bahn brechen.
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Verschiebung: Die Verschiebung beschreibt ein Phänomen, bei dem Wünsche und Bedürfnisse, die sich am Original nicht befriedigen lassen, an einem Ersatzobjekt umgesetzt werden. Dies kann ein harmloses Rollenspiel sein, bei dem ein Partner in die Rolle eines unerreichbaren Superstars schlüpft.
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Verleugnung: Dieser Abwehrmechanismus funktioniert nach dem Prinzip: Was nicht sein darf, das kann auch nicht wahr sein. Betroffene negieren die Realität, wenn diese zu unangenehm erscheint. Im privaten Bereich ist die Trennung durch den Partner ein typisches Beispiel. Die Verleugnung kann aber auch ganze Menschenmassen betreffen, wie z.B. Holocaustleugner und weite Teile der „Querdenker“.
Fazit: Abwehrmechanismen als Teil der menschlichen Psyche
Nahezu jeder Mensch wird sich an der einen oder anderen Stelle in diesen Beschreibungen der Abwehrmechanismen wiedererkennen. Dies bedeutet jedoch nicht zwangsläufig, dass eine behandlungsbedürftige psychische Störung vorliegt. Letztlich kommt es darauf an, in welchem Ausmaß die Abwehrmechanismen an welcher Stelle greifen und wie stark sie die Lebensqualität beeinträchtigen. (Quelle: Vaillant, G. E. (1992). Ego mechanisms of defense: A guide for clinicians and researchers. American Psychiatric Press.)
Häufig gestellte Fragen (FAQ) zu Abwehrmechanismen:
Sind Abwehrmechanismen immer negativ?
Nein, Abwehrmechanismen sind zunächst normale und notwendige Funktionen der Psyche. Sie können jedoch problematisch werden, wenn sie übermäßig eingesetzt werden und zu einer Realitätsverzerrung führen.
Kann man seine Abwehrmechanismen bewusst beeinflussen?
Abwehrmechanismen laufen meist unbewusst ab. Durch Therapie und Selbstreflexion kann man sich jedoch ihrer bewusst werden und lernen, sie bewusster zu steuern.
Welche Rolle spielen Abwehrmechanismen in Beziehungen?
Abwehrmechanismen können Beziehungen beeinflussen, indem sie zu Missverständnissen und Konflikten führen. Sie können aber auch dazu dienen, das Gleichgewicht in einer Beziehung aufrechtzuerhalten.
Können Abwehrmechanismen auch positive Auswirkungen haben?
Ja, einige Abwehrmechanismen, wie Sublimierung oder Humor, können durchaus positive Auswirkungen haben und zur kreativen Entfaltung oder zur Stressbewältigung beitragen.
Die unbewussten Strategien der Psyche: Abwehrmechanismen verstehen und einordnen
Unser Unterbewusstsein nutzt Abwehrmechanismen, um uns vor belastenden Gedanken und Emotionen zu schützen. In diesem Beitrag erfuhren Sie, welche Strategien die Psyche entwickelt und wie sie unser Verhalten beeinflussen können.
Direkt unterhalb finden Sie ein Video, das sich mit einem zentralen Aspekt der psychodynamischen Theorie befasst: Sigmund Freuds Konzept der Fixierungen.
Freuds Phasenmodell: Wie frühkindliche Erfahrungen unser Verhalten prägen
Sigmund Freuds Entwicklungsmodell ist bis heute ein wegweisendes Konzept in der Psychologie. Dieses Video führt Sie durch die verschiedenen psychosexuellen Phasen der menschlichen Entwicklung – von der oralen Phase über die anale und phallische Phase bis hin zur Latenz- und genitalen Phase.
Besonders spannend ist dabei Freuds Annahme, dass Fixierungen in frühen Entwicklungsstufen später bestimmte Verhaltensmuster beeinflussen können. So kann eine Fixierung in der oralen Phase dazu führen, dass Betroffene im Erwachsenenalter vermehrt zu Verhaltensweisen wie Rauchen, Nägelkauen oder übermäßigem Essen neigen.
Wie prägen diese Mechanismen unser Leben?
Freuds Theorien bieten faszinierende Einblicke in die Funktionsweise unserer Psyche. Weiterhin helfen sie uns zu verstehen, warum bestimmte Verhaltensweisen tief in unserer Kindheit verwurzelt sein können.
Tauchen Sie mit uns ein in die Welt der Psychoanalyse und entdecken Sie, wie unbewusste Prozesse unsere Entscheidungen, Reaktionen und zwischenmenschlichen Beziehungen formen.
Das Video ist ein Beitrag zu den Abwehrmechanismen. Es ist ergänzend zu den Inhalten auf der Seite. In der Welt der Psychologie bleibt Sigmund Freuds Phasenmodell ein zeitloser Leitfaden zur Entschlüsselung der menschlichen Entwicklung. Dieser Videopost nimmt Sie mit auf eine faszinierende Reise durch Freuds Theorien, beginnend mit der oralen Phase, die die kindliche Entwicklung von Geburt an prägt. Wir erkunden, wie sich die erogenen Zonen von Mund und Lippen bis hin zu den Genitalien auf die Entfaltung der Persönlichkeit auswirken. Freud beleuchtete, wie Fixierungen in frühen Phasen später zu spezifischen Verhaltensweisen führen können, etwa zu Rauchen oder übermäßigem Essen. Gehen Sie mit uns auf eine spannende Entdeckungsreise durch die Phasen der menschlichen Psyche und verstehen Sie, wie diese unser Erwachsenen Leben beeinflussen.
Quellen:
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Freud, S. (1936). The problem of anxiety. New York: Norton. [Kein direkter Link verfügbar, da es sich um ein Buch handelt. Informationen sind über eine Bibliotheksrecherche erhältlich.]
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Vaillant, G. E. (1992). Ego mechanisms of defense: A guide for clinicians and researchers. American Psychiatric Press. [Kein direkter Link verfügbar, da es sich um ein Buch handelt. Informationen sind über eine Bibliotheksrecherche erhältlich.]
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