Abwehrmechanismen

Psychoanalytische Therapie - Schutz, Wiederstand, Resilienz gehören zu Abwehrmechanismen

In der Psychoanalyse und -Therapie wurde der Begriff ‚des Abwehrmechanismus‘ bereits durch Sigmund Freud eingeführt. Es handelt sich um eine Methode des Ichs, mit den Trieben und Bedürfnissen umzugehen, die das Über-Ich (also das Gewissen) als verboten einordnet. Abwehrmechanismen werden nicht bewusst, sondern weitgehend unbewusst angewandt.

Was versteht man unter einem Abwehrmechanismus?

Sigmund Freud vertrat die These, dass Abwehrmechanismen zum Alltag eines Menschen gehören, also tagtäglich eingesetzt werden. Wenn sich eine Person im besonders verstärkten Maße auf den besagten Abwehrmechanismus fokussiert, handelt es sich nach Freud’scher Lesart um ein krankhaftes Verhalten.

Psychische Erkrankungen entstehen dieser Theorie zufolge nicht zufällig, sondern erfüllen einen Zweck. Der erkrankte Mensch versucht sich mitzuteilen. Daher wird durch die auftretenden Symptome etwas ausgedrückt. Daher geht es darum eine Wirkung zu erzeugen.

Abwehrmechanismen sind unbewusste Vorgänge

Ein Abwehrmechanismus ist immer ein unbewusster Vorgang. Hier geht es darum Angstgefühle abzuwehren. Je nach Intensität und Abwehrpräferenz kann das Abwehrverhalten zu Selbsttäuschungen unterschiedlichen Ausmaßes führen. Die betroffene Person erlebt die Realität verzerrt. Daher ist eine selektive Wahrnehmung zum Teil vorhanden. Dadurch ist die Verschiebung von Affekten und Impulsen möglich.

Durch Abwehrmechanismen kann man verhindern, dass schmerzhafte, unlustvolle, inakzeptable oder bedrohlich wirkende Impulse auf die Bewusstseinsebene gelangen. Bei diesen kann es sich zum Beispiel um Angst, Aggressionen, Minderwertigkeitskomplexe, Schuldgefühle oder Gefühle der Überforderung und Orientierungslosigkeit handeln. Abhängig von der Art der Abwehr werden die jeweiligen Inhalte dem Bewusstsein komplett entzogen oder auf ein geringeres Maß reduziert.

Welche Abwehrmechanismen gibt es?

Sigmund Freud identifizierte 9 Arten von Abwehrmechanismen. Andere Vertreter der Psychoanalyse und Psychotherapie haben dessen Liste im Laufe der Jahre weiter modifiziert, präzisiert und ergänzt. Heute zählt die Fachwelt die folgenden Abwehrmechanismen auf.

Fixierung:

Die Fixierung ist in der Psychologie das unbedingte Festhalten an bestimmten Ritualen, Denkmustern und Verhaltensweisen. Ganz im Sinne von „Das haben wir schon immer so gemacht!“ verliert man die Fähigkeit, selbst flexibel zu denken, zu fühlen und zu agieren. Freud ging noch davon aus, dass die 5 Phasen, die der Mensch im Laufe seiner psychosexuellen Entwicklung durchlebt (orale Phase, anale Phase, phallische Phase, Latenzphase, genitale Phase) dabei eine wesentliche Rolle spielen. Dies sieht man in der modernen Psychoanalyse und Psychotherapie differenzierter.

Identifikation:

Die Identifikation beginnt im geringen Maße bereits durch das Finden eines persönlichen Idols. Die Identifikation kann zur Konfliktlösung dienen, indem die jeweilige Person sich selbst mit seinem Vorbild gleichsetzt und versucht, dessen Lebens- und Verhaltensweisen zu kopieren. Auch hier versucht man, das eigene Ich durch die Persönlichkeit des Vorbildes zu ersetzen. Dies kann krankhafte Züge annehmen, auch gibt es dazu Beispiele aus der Kriminalgeschichte.

Projektion:

Nach Sigmund Freud ist die Projektion ein Abwehrmechanismus, bei dem eine betroffene Person die eigenen, nicht zu ertragenden Fantasien, Gefühle, Wünsche und Zwänge einer anderen Person zuschreibt. Dies bezieht sich vor allem auf jene Eigenschaften, die der gesellschaftlichen Norm (vermeintlich) zuwiderlaufen. Persönliche zwischenmenschliche Konflikte sind hier vorprogrammiert. Die Projektion kann aber auch komplette Gruppen betreffen und zur Ausgrenzung und Verfolgung von Andersdenkenden und sogar zu kriegerischen Auseinandersetzungen führen.

Konversion:

Die Konversion gehört zu den auch wissenschaftlich nur schwer erklärbaren Abwehrmechanismen. Hier macht sich ein innerer psychischer Konflikt der betroffenen Person durch körperliche Symptome bemerkbar. Bei der Konversion wird ein Konflikt durch das eigene Bewusstsein also nicht akzeptiert und in ein körperliches Symptom konvertiert. Bei einem solchen kann es sich zum Beispiel um Blindheit, Taubheit, Lähmungen oder Krampfanfälle handeln. Es gibt ein vielzitiertes Beispiel einer Frau, die die Untreue ihres Mannes „nicht sehen will“. Tatsächlich verliert sie ihr Augenlicht, obwohl Mediziner keine körperliche Ursache feststellen können.

Introjektion:

Die Introjektion ist die vollständige Verinnerlichung von Werten und Moralvorstellungen während der Sozialisation eines Menschen. Traditionen, Ansichten und Wertvorstellungen werden von außen vorgegeben (meist auch vorgelebt) und von dem Kind unbewusst übernommen. Dies ist in einem gewissen Maße notwendig, damit sich ein Mensch mit seinen Eltern, seiner Familie und vielleicht auch der zugehörigen Gruppe identifizieren kann. Aber auch radikale religiöse und politische Einstellungen werden auf diese Weise quasi „vererbt“.

Rationalisierung:

Die Rationalisierung ist ein psychischer Prozess, bei dem man versucht, eigenen Erfahrungen, Beobachtungen und Erlebnissen im Nachhinein eine rationale Grundlage zu geben. Wahre Gründe, die man selbst nicht als solche wahrhaben will, treten in den Hintergrund und werden durch andere ersetzt. Die „schwere Kindheit“ ist eines der meistgenannten Beispiele für eine solche Rationalisierung. Aber auch die alte Dame, die vermeintlich unaufmerksam die Straße überquert hat, wird durch den Autofahrer für den Unfall verantwortlich gemacht. Die eigene überhöhte Geschwindigkeit oder der Blick auf das Handy spielen beim gefühlten Unfall geschehen dann keine Rolle.

Reaktionsbildung:

Die Reaktionsbildung kann man als Abwehrmechanismus gegenüber ambivalenten, selbst nicht akzeptierten Triebregungen begreifen. Ein bestimmter Triebimpuls wird durch das Unterbewusstsein abgewehrt, indem eine gegenläufige Verhaltensweise stattfindet. Es kann sich hierbei etwa um ein (temporäres) Hassgefühl gegenüber einem eigentlich geliebten Menschen handeln – oder um die Sorgen, die man sich um einen eigentlich ungeliebten Menschen macht.

Regression:

Mit Regression ist eine Rückbildung gemeint. In der Psychologie kann sie auch als Rückentwicklung verstanden werden. Hierbei zieht sich die betroffene Person (zumindest temporär) auf eine frühere Stufe der Persönlichkeitsentwicklung zurück. Dies geschieht insbesondere in Situationen, in denen ein/e Betroffene/r vollkommen überfordert zu sein scheint.

Reversion:

Die Reversion ist die Verkehrung ins Gegenteil. Schon Sigmund Freuds Tochter Anna beschrieb das Phänomen, dass einzelne Triebe während der kindlichen Entwicklung ins Gegenteil umschlagen können. Womöglich hängt die Reversion mit dem Übergang von der Aktivität zur Passivität zusammen. Bestimmte Bedeutungsinhalte ersetzt das Ich durch ihr eigentliches Gegenteil: Sado-Masochismus, Hass-Liebe, Aggression und übertriebene Fürsorge sowie Voyeurismus und Exhibitionismus sind Beispiele für solche gegensätzlichen Paarungen. Auch Abwehrmechanismen wie Projektion und Verdrängung lassen sich durch die Reversion verstärken. Beispiele gibt es auch hier zuhauf: Das Kind, das vom Vater geschlagen wird, schlägt andere Kinder. Die Frau, die das untreue Verhalten ihres Partners nicht ertragen kann, geht selber fremd. Der Priester, der von der Kanzel gegen Homosexualität predigt, führt selbst eine schwule Beziehung.

Sublimierung:

Die Sublimierung bedeutet einerseits, dass sich die betroffene Person eigene Wünsche und Bedürfnisse, die vermeintlich im Widerspruch zu gesellschaftlichen Normen steht, selbst untersagt. Dafür engagiert sie sich aber besonders sozial und auf eine Weise, die gesellschaftlich ein Höchstmaß an Respekt und Achtung erfährt. Vielleicht verbietet sich der Latex-Fetischist seine vermeintlich abnormalen Vorlieben, um sich alternativ in der Kleiderkammer oder bei der Tafel zu engagieren.

Ungeschehen-machen:

Betroffene Personen tun so, als seien bestimmte Verhaltensweisen, Wünsche, eigene Gedanken oder bestimmte Erlebnisse so nie eingetreten. Auf diese Weise versucht das Unterbewusstsein, die eigenen, nicht akzeptierten Triebe von sich zu weisen. Oftmals geht dieses Ungeschehen-machen mit Zwangshandlungen einher. Der Waschzwang ist der bekannteste Vertreter dieser Handlungen.

Verdrängung:

Die Psychoanalyse beschreibt mit der Verdrängung einen Abwehrmechanismus, der tabuisierte Gefühle und Bewusstseinsinhalte schlicht nicht akzeptieren kann und wahrhaben will. Typische Beispiele dafür finden sich im Bereich der Sexualität: Zahlreiche Vorlieben finden keine gesellschaftliche Akzeptanz und werden durch das eigene Ich daher ebenfalls auf eine Verbotsliste gesetzt. Allerdings verbleiben diese Emotionen im Unterbewusstsein, können das Leben erheblich beeinflussen und sich irgendwann Bahn brechen. Auch hier gibt es Beispiele aus der Kriminalgeschichte, in denen eigentlich harmlose Menschen zu gefährlichen Triebtätern wurden.

Verschiebung:

Die Verschiebung beschreibt in psychologischer Hinsicht ein Phänomen, in dem Wünsche und Bedürfnisse, die sich am Original nicht befriedigen lassen, an einem Ersatzobjekt umgesetzt werden. Hierbei kann es sich in einem harmlosen Fall um ein erotisches Rollenspiel handeln, bei dem ein Partner in die Rolle eines unerreichbaren Superstars schlüpft. In der Kriminalgeschichte gibt es aber auch Beispiele von Sadisten, die ihre Gewaltfantasien zwar nicht an Menschen ausleben. In Tieren finden sie jedoch die gesuchten Stellvertreter, an denen die Neigungen dann ausgelebt werden. Auch viele Fälle von Vandalismus lassen sich auch den Abwehrmechanismus der Verschiebung zurückführen.

Verleugnung bzw. Leugnung der Realität:

Dieser Abwehrmechanismus funktioniert nach dem Prinzip: Was nicht sein darf, das kann auch nicht wahr sein. Betroffene negieren die Realität, wenn diese zu unangenehm erscheint. Im privaten Rahmen ist die Trennung durch die Partnerin / den Partner ein typisches Beispiel: Man will die neue Situation nicht wahrhaben und klammert sich an die vermeintlich nach wie vor bestehende Beziehung. Die Verleugnung kann aber auch ganze Menschenmassen betreffen: Viele Menschen im mittleren Westen der USA halten die Evolutionstheorie für ein Produkt des Teufels. Andere ignorieren alle Zahlen, Daten und Fakten, um den Klimawandel zu leugnen. Nach dem gleichen Prinzip agieren Holocaust-Leugner und auch weite Teile der „Querdenker“. Letztere gehen, trotz unverkennbarer Beweise aus allen Ländern der Erde, weiterhin gegen eine vermeintliche Weltverschwörung auf die Straße: Die Corona-Pandemie existiert nach dieser Lesart nicht, Impfstoffe sind eigentlich winzige Mikrochips und die 5G-Technologie schafft die technische Grundlage für diesen Komplott.

Das ICH verschiebt den Konflikt ins Unterbewusste
Das ICH verschiebt den Konflikt ins Unterbewusste

Nahezu alle Menschen werden sich an der einen oder anderen Stelle dieser Abwehrmechanismen wiedererkennen. Dies bedeutet aber nicht zwangsläufig, dass eine behandlungswürdige, psychische Störung vorliegt. Letztlich kommt es darauf an, in welchem Ausmaß die Abwehrmechanismen an welcher Stelle greifen.


Das Video ist ein Beitrag zu den Abwehrmechanismen. Es ist ergänzend zu den Inhalten auf der Seite. In der Welt der Psychologie bleibt Sigmund Freuds Phasenmodell ein zeitloser Leitfaden zur Entschlüsselung der menschlichen Entwicklung. Dieser Videopost nimmt Sie mit auf eine faszinierende Reise durch Freuds Theorien, beginnend mit der oralen Phase, die die kindliche Entwicklung von Geburt an prägt. Wir erkunden, wie sich die erogenen Zonen von Mund und Lippen bis hin zu den Genitalien auf die Entfaltung der Persönlichkeit auswirken. Freud beleuchtete, wie Fixierungen in frühen Phasen später zu spezifischen Verhaltensweisen führen können, etwa zu Rauchen oder übermäßigem Essen. Gehen Sie mit uns auf eine spannende Entdeckungsreise durch die Phasen der menschlichen Psyche und verstehen Sie, wie diese unser Erwachsenen Leben beeinflussen.

Monika Sedlmeier

Mein Name ist Monika Sedlmeier, ich bin Heilpraktikerin für Psychotherapie. Meine Passion liegt mir sehr am Herzen, dass alle Menschen glücklich sind oder es leichter werden können, wenn sie es möchten. Ich sehe meinen Gesprächspartner gern mit Lächeln im Gesicht und leuchtenden Augen.

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