Die Frage “Was ist Glück?” beschäftigt die Menschheit seit jeher und allein die schiere Menge an Ratgebern zeigt, wie zentral dieses Thema für uns ist. Doch während Glück oft als flüchtiges Gefühl beschrieben wird, bietet die Psychologie sowie die Neurowissenschaft tiefere Einblicke. Glück ist nämlich nicht nur ein subjektives Empfinden, sondern auch ein komplexes Zusammenspiel biologischer Prozesse und erlernbarer Denkmuster, sowie Verhaltensweisen. Welche Faktoren hängen mit Glück zusammen?
In diesem Artikel sind die entscheidenden Faktoren für Glück beleuchtet, wie wir sie aus psychotherapeutischer Sicht verstehen. Weiterhin zeigt auf, wie wir unser Wohlbefinden aktiv fördern können. Wir werden uns dabei sowohl die neurobiologischen Grundlagen ansehen als auch die psychologischen Stellschrauben an denen wir selbst drehen können.

Inhaltsverzeichnis
- 1 Die Biologie des Glücks: Was im Gehirn passiert
- 2 Entscheidende Faktoren für Glück: Was Sie aktiv tun können
- 2.1 Faktor 1 für Glück: Pflegen Sie nährende soziale Beziehungen
- 2.2 Faktor 2 für Glück: Kultivieren Sie eine positive Grundhaltung
- 2.3 Faktor 3 für Glück: Finden Sie Sinn und verfolgen Sie Ziele
- 2.4 Faktor 4 für Glück: Streben Sie nach Balance und „Flow“
- 2.5 Faktor 5 für Glück: Investieren Sie in Bildung und lebenslanges Lernen
- 2.6 Faktor 6 für Glück: Wählen Sie einen passenden Lebensraum
- 3 Zusammenfassung: Glück ist eine Reise, kein Ziel
- 4 Relevante Studien & Links (Beispiele)
- 5 Häufig gestellte Fragen (FAQs)
- 6 Ein Gedicht zum Nachdenken
- 7 Glück
Die Biologie des Glücks: Was im Gehirn passiert
Obwohl Glück individuell erlebt wird, sind die zugrundeliegenden neurobiologischen Prozesse universell. Wenn wir Glück empfinden, werden im Gehirn, insbesondere im limbischen System, spezifische Botenstoffe, sogenannte Neurotransmitter, ausgeschüttet. Dazu gehören vor allem:
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Dopamin: Oft als “Belohnungshormon” bezeichnet, motiviert es uns und erzeugt Vorfreude, sowie Vergnügen bei erreichten Zielen.
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Endorphine: Diese körpereigenen Opioide wirken schmerzlindernd und erzeugen ein Gefühl der Euphorie, beispielsweise nach intensivem Sport oder auch Orgasmus.
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Oxytocin: Bekannt als “Kuschelhormon”, fördert es soziale Bindungen, Vertrauen
und Geborgenheit. Stärkt Bindung und Vertrauen – vor allem bei Nähe und Intimität. -
Serotonin: Dieses “Wohlfühlhormon” beeinflusst unsere Stimmung positiv, reduziert Angst und fördert Gelassenheit sowie Zufriedenheit.
- Prolaktin: Spielt eine Rolle bei der sexuellen Sättigung und sorgt für das typische „Ruhegefühl“ nach dem Orgasmus.
- Noradrenalin: Es steigert unsere Wachheit, Konzentration und Energie, was uns handlungsfähiger macht.
Die Ausschüttung dieser Substanzen führt dazu, dass wir uns wacher, fokussierter, leistungsfähiger und emotional stabiler fühlen. Folglich ist das Erleben von Glücksgefühlen tief in unserer Biologie verankert.
Werden überwiegend Stresshormone ausgeschüttet – und das über einen längeren Zeitraum –, kann dies erheblichen Einfluss auf unser psychisches Wohlbefinden haben und das Risiko für depressive Verstimmungen erhöhen.
Gene und Lebensumstände: Wie viel Einfluss haben wir auf unser Glück?
Eine häufig gestellte Frage ist, inwieweit unser Glücksempfinden vorbestimmt ist. Die Forschung, insbesondere aus der Zwillings- und Adoptionsstudien liefert hier interessante Hinweise. Aktuelle Analysen legen nahe, dass etwa 50 % unseres individuellen Glückspotenzials genetisch bedingt sind. Das bedeutet, manche Menschen haben von Natur aus eine höhere Neigung zu positivem Empfinden. Des Weiteren werden etwa 10 % des Glücks durch äußere Lebensumstände beeinflusst – dazu zählen Faktoren wie Einkommen, Gesundheit oder Wohnort.
Allerdings und das ist die ermutigende Nachricht aus psychotherapeutischer Sicht, bleiben rund 40 %, die wir aktiv selbst gestalten können! Demzufolge haben unsere bewussten Entscheidungen unsere Denkmuster, sowie unsere Verhaltensweisen einen erheblichen Einfluss darauf, wie glücklich wir uns fühlen. Daher lohnt es sich definitiv diese Gestaltungsspielräume zu erkennen und zu nutzen.
Entscheidende Faktoren für Glück: Was Sie aktiv tun können
Obwohl die Wahrnehmung von Glück subjektiv und kulturell geprägt ist, gibt es universell wirksame Strategien, um das eigene Wohlbefinden zu fördern. Diese basieren auf psychologischen Erkenntnissen und therapeutischen Erfahrungen.
Faktor 1 für Glück: Pflegen Sie nährende soziale Beziehungen
Starke, unterstützende Beziehungen sind ein fundamentaler Baustein für psychisches Wohlbefinden und Glück. Wir Menschen sind soziale Wesen. Wir benötigen das Gefühl von Zugehörigkeit, Wertschätzung und Verbundenheit.
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Qualität vor Quantität: Es kommt nicht darauf an wie viele Kontakte wir haben, sondern wie erfüllend und unterstützend diese sind. Dies können Familienmitglieder, Partner, Freunde, Nachbaren oder sogar Kollegen sein, die uns das Gefühl geben, verstanden und akzeptiert zu werden. Solche Beziehungen stärken unsere Resilienz und helfen uns schwierige Zeiten zu meistern.
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Achtsamkeit bei Kontakten: Im Gegensatz dazu können toxische oder gefährliche Beziehungen, die von Kritik, Manipulation oder emotionaler Ausbeutung geprägt sind unser Glücksempfinden massiv untergraben. Es ist daher wichtig, solche Verbindungen zu erkennen und sich gegebenenfalls davon zu distanzieren oder professionelle Hilfe zur Klärung zu suchen.
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Die Bedeutung von Berührung: Körperliche Nähe in vertrauensvollen Beziehungen, wie eine Umarmung, setzt Oxytocin frei. Weiterhin stärkt sie das Gefühl von Sicherheit und Verbundenheit.
Faktor 2 für Glück: Kultivieren Sie eine positive Grundhaltung
Unsere innere Einstellung und die Art, wie wir über uns selbst, andere und die Welt denken, beeinflusst maßgeblich unser Glückserleben. Positives Denken bedeutet hierbei nicht Schwierigkeiten zu ignorieren, sondern eine konstruktive Perspektive einzunehmen.
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Kognitive Umstrukturierung: Lernen Sie negative Denkmuster zu erkennen und bewusst durch realistischere, positivere Gedanken zu ersetzen. Techniken aus der Kognitiven Verhaltenstherapie können hierbei sehr hilfreich sein. Was einst ungünstig erlernt ist, lässt sich durch hilfreiche Strategien verändern und neu trainieren.
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Dankbarkeit praktizieren: Regelmäßig bewusst wahrzunehmen, wofür man dankbar ist (z. B. durch ein Dankbarkeitstagebuch), lenkt den Fokus auf das Positive im Leben und steigert nachweislich die Zufriedenheit.
Hier ein kleiner Ausschnitt aus dem Buch der Dankbarkeit…. genannte Beispiele für die wir direkt nach dem Aufstehen dankbar sein können – kleine alltägliche Dinge, die oft übersehen werden, aber viel Lebensqualität schenken…..
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Ein neuer Tag voller Möglichkeiten – die Chance etwas Neues zu erleben oder anders zu machen.
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Gesundheit – dass der Körper funktioniert, wir atmen, sehen, riechen, hören, gehen können,….
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Ein warmes Bett – Sicherheit, Geborgenheit und erholsamer Schlaf sind nicht immer selbstverständlich.
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Frisches Wasser – zum Trinken, Waschen, Duschen – lebenswichtig und doch so leicht verfügbar.
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Tageslicht – der erste Blick aus dem Fenster, Sonnenstrahlen oder auch der Regen – es zeigt… du bist lebendig.
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Ruhe oder Morgengeräusche – das Zwitschern der Vögel, Stille oder der Beginn eines neuen Tages.
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Ein heißes Getränk – Kaffee, Tee oder etwas anderes Wohltuendes am Morgen.
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Menschen oder Tiere in ihrem Leben – Familie, Freunde, ein Haustier oder einfach das Wissen, nicht allein zu sein.
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Optimismus entwickeln: Eine optimistische Haltung hilft, Herausforderungen als überwindbar anzusehen und fördert proaktives Handeln. Dies trägt nicht nur zu mehr Glücksgefühlen bei, sondern korreliert Studien zufolge auch mit einer höheren Lebenserwartung.
Faktor 3 für Glück: Finden Sie Sinn und verfolgen Sie Ziele
Ein Gefühl von Sinnhaftigkeit im Leben ist ein starker Motor für langfristiges Glück und psychische Stabilität. Wer weiß wofür er lebt und worauf er hinarbeitet, empfindet sein Dasein als erfüllender.
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Werte klären: Identifizieren Sie Ihre persönlichen Kernwerte – was ist Ihnen im Leben wirklich wichtig? (z. B. Familie, Kreativität, Gerechtigkeit, persönliches Wachstum).
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Ziele setzen: Leiten Sie aus Ihren Werten konkrete, erreichbare Ziele ab. Das Verfolgen und Erreichen dieser Ziele, insbesondere wenn sie intrinsisch motiviert sind (also aus eigenem Antrieb kommen). Es setzt Dopamin frei und stärkt das Gefühl von Kompetenz und Selbstwirksamkeit.
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Fokus auf Immaterielles: Während finanzielle Sicherheit wichtig ist, zeigt die Forschung, dass materieller Besitz über ein gewisses Maß hinaus kaum zum Glück beiträgt. Vielmehr sind es immaterielle Werte und Erlebnisse, die nachhaltig erfüllen.
Faktor 4 für Glück: Streben Sie nach Balance und „Flow“
Das richtige Maß an Herausforderung ist entscheidend für unser Wohlbefinden. Weder chronische Unterforderung (Langeweile, Boreout) noch dauerhafte Überforderung (Stress, Burnout) machen glücklich.
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Flow-Erleben: Suchen Sie Tätigkeiten bei denen Sie ganz aufgehen, die Ihre Fähigkeiten fordern, aber nicht überfordern. Dieser Zustand des „Flows“ (nach Mihály Csíkszentmihályi) ist äußerst beglückend und produktiv.
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Realistischer Perfektionismus: Hohe Ansprüche können motivieren, jedoch führt übertriebener Perfektionismus oft zu Prokrastination, Angst vor Fehlern und Unzufriedenheit. Lernen Sie, „gut genug“ zu akzeptieren und feiern Sie auch kleine Fortschritte. Selbstmitgefühl ist hierbei ein wichtiger Schlüssel.
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Achtsamkeit und Pausen: Integrieren Sie bewusst Momente der Ruhe und Achtsamkeit in Ihren Alltag, um Stress abzubauen und die eigenen Bedürfnisse wahrzunehmen.
Faktor 5 für Glück: Investieren Sie in Bildung und lebenslanges Lernen
Neugier und die Bereitschaft Neues zu lernen eröffnen uns Horizonte, fördern unsere geistige Flexibilität und schenken uns Erfolgserlebnisse.
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Wissensdurst stillen: Es muss keine akademische Laufbahn sein. Sich mit Themen zu beschäftigen, die einen persönlich interessieren – sei es eine neue Sprache, ein Handwerk, Geschichte oder Quantenphysik – erweitert den eigenen Horizont und kann zutiefst befriedigend sein.
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Persönliche Entwicklung: Lernen ermöglicht persönliches Wachstum, die Entwicklung neuer Fähigkeiten und ein besseres Verständnis der Welt und seiner selbst. Dies wiederum stärkt das Selbstbewusstsein und die Lebenszufriedenheit.
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Soziale Aspekte: Gemeinsames Lernen oder der Austausch über Gelerntes kann zudem soziale Kontakte fördern und bereichern.
Faktor 6 für Glück: Wählen Sie einen passenden Lebensraum
Unsere unmittelbare Umgebung hat einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf unser Wohlbefinden.
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Wohnort und Natur: Ein Zuhause an dem wir uns sicher und wohlfühlen ist essenziell. Die Nähe zur Natur hat nachweislich positive Effekte auf die psychische Gesundheit. Ebenso wichtig kann die Nähe zu geschätzten Menschen sein.
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Entfaltungsmöglichkeiten: Bietet die Umgebung Möglichkeiten zur Freizeitgestaltung, sozialen Interaktion und persönlichen Entfaltung, die unseren Bedürfnissen entsprechen?
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Stressreduktion: Ein langer, stressiger Arbeitsweg kann das tägliche Glücksempfinden erheblich schmälern. Daher sollte auch die Pendelzeit bei der Wahl des Wohnortes berücksichtigt werden.
Zusammenfassung: Glück ist eine Reise, kein Ziel
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Glück ein vielschichtiges Konstrukt ist, das sowohl von unserer Biologie als auch von unseren Lebensumständen und – ganz entscheidend – von unseren eigenen Einstellungen und Handlungen beeinflusst wird. Während wir unsere Gene nicht ändern können, haben wir durch die Pflege von Beziehungen, eine positive Grundhaltung, Sinnfindung, das Streben nach Balance, lebenslanges Lernen und die Gestaltung unseres Umfelds erhebliche Möglichkeiten, unser Wohlbefinden aktiv zu fördern. Glück ist somit weniger ein Zustand, den man passiv erreicht, sondern vielmehr das Ergebnis eines bewussten, kontinuierlichen Prozesses der persönlichen Entwicklung und Lebensgestaltung.
Empfohlene Literatur & Weiterführende Informationen
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Seligman, Martin E. P. (2002). Authentic Happiness: Using the New Positive Psychology to Realize Your Potential for Lasting Fulfillment. Free Press. (Ein Grundlagenwerk der Positiven Psychologie)
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Csikszentmihalyi, Mihaly (1990). Flow: The Psychology of Optimal Experience. Harper Perennial Modern Classics. (Das Standardwerk zum Flow-Konzept)
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Lyubomirsky, Sonja (2008). The How of Happiness: A Scientific Approach to Getting the Life You Want. Penguin Books. (Bietet praktische, wissenschaftlich fundierte Strategien)
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Website der Deutschen Gesellschaft für Positive Psychologie (DGPP): Bietet Informationen und Ressourcen zur Positiven Psychologie im deutschsprachigen Raum.
Relevante Studien & Links (Beispiele)
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Studie zur Genetik des Glücks: Okbay, A., Baselmans, B. M. L., De Neve, J. E., et al. (2016). Genetic variants associated with subjective well-being, depressive symptoms, and neuroticism identified through genome-wide analyses. Nature Genetics, 48(6), 624–633.
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Informationen zu Neurotransmittern: Eine verständliche Erklärung der Funktion von Neurotransmittern finden Sie auf gesundheitsinformation.de (Portal des IQWiG).
Häufig gestellte Fragen (FAQs)
Kann man Glück lernen?
Ja, zu einem erheblichen Teil. Während die genetische Veranlagung eine Rolle spielt, können wir durch bewusstes Training von Denkmustern (z. B. Optimismus, Dankbarkeit) und Verhaltensweisen (z. B. soziale Kontakte pflegen, Ziele verfolgen) unser subjektives Wohlbefinden nachweislich steigern. Psychotherapie kann dabei unterstützen.
Macht Geld glücklich?
Bis zu einem gewissen Grad ja, da finanzielle Sicherheit Grundbedürfnisse deckt und Stress reduziert. Über ein bestimmtes Einkommensniveau hinaus (das zur Deckung der Grundbedürfnisse und etwas Komfort ausreicht) nimmt der Zusammenhang zwischen Geld und Glück jedoch stark ab. Immaterielle Faktoren wie Beziehungen und Sinnhaftigkeit werden dann wichtiger.
Was ist der Unterschied zwischen kurzfristigem Vergnügen und langfristigem Glück?
Kurzfristiges Vergnügen (Hedonie) ist oft an äußere Reize gebunden (z. B. gutes Essen, Unterhaltung) und eher flüchtig. Langfristiges Glück (Eudaimonie) basiert auf inneren Werten, Sinnhaftigkeit, persönlichem Wachstum und erfüllenden Beziehungen. Es ist stabiler und nachhaltiger.
Kann man auch in schwierigen Zeiten glücklich sein?
Glück bedeutet nicht die Abwesenheit von Leid oder Schwierigkeiten. Es ist vielmehr die Fähigkeit, auch angesichts von Herausforderungen eine grundlegend positive Lebenseinstellung zu bewahren, Sinn zu finden und auf innere sowie äußere Ressourcen zurückzugreifen. Resilienz spielt hier eine große Rolle.
Welche Rolle spielt Achtsamkeit für das Glück?
Achtsamkeit hilft, den Moment bewusster wahrzunehmen, ohne ihn sofort zu bewerten. Dies kann helfen, Stress zu reduzieren, negative Gedankenspiralen zu unterbrechen und positive Erlebnisse intensiver zu genießen. Außerdem fördert Achtsamkeit die Selbstwahrnehmung, was eine Voraussetzung für bewusste Veränderungen ist.
Ein Gedicht zum Nachdenken
Zum Abschluss ein kurzes Gedicht von Joseph von Eichendorff, das die flüchtige, aber wertvolle Natur des Glücks andeutet:
Glück
Glück ist ein Vöglein,
Scheu und fein,
Fliegt auf und fort –
Kaum schließ ich’s ein.Doch wo es sang im Sonnenschein,
Klingt’s nach im Herzen fort und fort.
(Joseph von Eichendorff)
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