Fetischismus – Wo ist die Grenze zwischen erotische Vorliebe und Störung der Sexualpräferenz

F 65.0 Störung der Sexualpräferenz

Fetischismus – Wo ist die Grenze zwischen erotische Vorliebe und Störung der Sexualpräferenz
Fetischismus – Wo ist die Grenze zwischen erotische Vorliebe und Störung der Sexualpräferenz
Ursprünglich kannte man den Fetischismus vor allem in religiöser Hinsicht. Bestimmten Objekten werden dabei übernatürliche Eigenschaften zugeschrieben. Oft werden diese Praktiken in den Bereich der Hexerei oder eines Voodoo-Kultes geschoben. Man kennt dieses Phänomen aber auch aus dem Christentum, etwa bei Heiligen-Reliquien.

Der sexuelle Fetischismus grenzt sich zwar davon ab, dennoch gibt es deutliche Parallelen. Auch beim sexuellen Fetischismus steht ein meist unbelebter Gegenstand, ein Material oder eine bestimmte Handlung im Vordergrund und sorgt für ein Höchstmaß an sexueller Erregung. Schnittmengen zwischen der Religion und der Sexualität sind möglich, aber keine Grundvoraussetzung.

Inhaltsverzeichnis

Was ist Fetischismus oder Fetisch?

Umgangssprachlich werden mit dem Fetischismus-Begriff also sowohl die religiöse als auch die sexuelle Definition gemeint. Menschen, die sich nicht der Fetisch-Szene zugehörig fühlen, meinen den Begriff im sexuellen Kontext allerdings in aller Regel abwertend. Der religiöse Fetischismus wird nicht selten als primitiv belächelt.

Manchmal wird auch eine intensiv gelebte Neigung als Fetischismus bezeichnet, bei dem die betroffene Person keinem Leidensdruck unterliegt. Nach wissenschaftlichem Verständnis wie auch nach dem Selbstbild der praktizierenden Person kann ein solcher „Fetischismus“ auch Teil einer „normalen“ Sexualität sein.

Dies gilt insbesondere in einem Fall. Wenn die Person selbst wie auch das Umfeld nicht durch das sexuelle Verhalten beeinträchtigt sind.

Fetischismus – Wo
ist die Grenze zwischen erotische Vorliebe und Störung der Sexualpräferenz

Die Frage, welches sexuelle Verhalten zu tolerieren ist , darüber ist nicht nur in der Fachwelt uneins. Ebenso ist die Grenze zur Perversion zu betrachten. Abhängig von kulturellen, religiösen und gesellschaftlichen Aspekten wird Fetischismus also unterschiedlich definiert und bewertet. Auch das eigene Umfeld spielt hier eine zentrale Rolle: Was in konservativen Familien als pervers und nicht tolerabel gilt, kann in einem liberalen Umfeld als vollkommen normal gelten.

Typische Beispiele für den sexuellen Fetischismus sind

  • der Kleidungsfetisch zum Beispiel bezogen auf Schuhe, Dessous oder Brillen und Piercings
  • der Material-Fetischismus zum Beispiel bezogen auf Nylon, Lack, Leder, Latex, Wolle, Pelze oder Seide
  • und der Körperteil-Fetischismus zum Beispiel bezogen auf die Füße, die Brüste, die Beine oder auch die Ohren.

Was sind die Ursachen des fetischistischen Verhaltens?

Bis heute ist nicht geklärt, wo die Ursachen für fetischistisches Verhalten zu finden sind. Es gibt gleichwohl einige Theorien und wissenschaftliche Ansätze dazu. Offenbar können die frühkindliche Konditionierung oder Prägung für den späteren Fetischismus relevant sein. Andere halten einen Liebesentzug oder eine zu frühe Entwöhnung als ursächlich. Wahrscheinlich wird Fetischismus nicht vererbt, ist also nicht in den Genen angelegt. Er kann aber Bestandteil einer komplexeren psychischen Störung sein – und diese ist in einigen Fällen tatsächlich erblich.

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Derzeit gibt es kaum Ansätze, eine der hier kurz genannten Theorien wissenschaftlich zu beweisen oder zu entkräften. Einige basieren also auf subjektiven Beobachtungen mit empirisch nicht belegten Behauptungen. Diskutiert wird allerdings, ob es einen Zusammenhang zwischen Fetischismus und Suchtverhalten gibt.

Fakten zum Fetischismus

Im Jahr 1887 vertrat der Psychologe Alfred Binet den Ansatz, dass Fetischismus mit Assoziation einherginge. Bei gleichzeitiger Darbietung sexueller Reize würde der Fetisch untrennbar mit der Sexualität verknüpft.

Etwa im Jahr 1900 nannte der Sexualforscher Havelock Ellis die Vermutung, dass ungewöhnliche sexuelle Neigungen durch erotische Erlebnisse eines Kindes geprägt würden.

Richard von Krafft-Ebing unterstrich 1912 Binets Theorie der Verknüpfung. Da er aber keine andere Erklärung dafür finden konnte, warum eine solche Assoziation lebenslangen Bestand hat, vermutete er bei Betroffenen eine psychische Entartung bei gleichzeitiger sexueller Überempfindlichkeit.

Im Jahr 1920 stellte der Sexualforscher Magnus Hirschfeld die Theorie der partiellen Attraktivität auf. Demnach geht sexuelle Attraktivität nicht von der Person insgesamt, sondern nur von einigen Persönlichkeitsmerkmalen aus. Da fast jeder derlei Vorlieben habe, sprach Hirschfeld in dem Zusammenhang von einem „gesunden Fetischismus“. Oft wird diese Theorie mit Blick auf die Geschlechterrollen dargestellt. Frauen präsentieren zum Beispiel gerne ihre langen Beine oder ihr Dekolleté, was bei Männern zu sexueller Erregung führen kann. Darin läge ein Grund, warum mehr Männer als Frauen Fetischisten seien.

Fetisch ist ein realer Gegenstand

Eine recht alte psychoanalytische Auffassung betont, dass der Fetisch ein realer Gegenstand ist, während sich die damit verknüpfte sexuelle Erregung aus der Fantasiewelt speist. Darum könnten Fetischisten anderen Menschen, die deren Neigung nicht teilen, auch den Reiz an dem jeweiligen Objekt nicht verständlich machen. Diese Auffassung hat in Teilen heute noch Bestand.

Diskutiert wird auch der Behaviorismus, also die klassische Konditionierung. Der sexuelle Reiz und das spätere Fetischobjekt werden dabei durch eine bestimmte Handlung miteinander verknüpft. Menschen, die beim Anblick von Latex-Pornografie masturbieren, können demnach unter bestimmten Umständen beides in übersteigertem Maße miteinander verknüpfen.

Ein neurologischer Ansatz von Vilaynur S. Ramachandran aus dem Jahre 1998 bezieht sich insbesondere Auf den Fußfetischismus. Demnach liegen die Bereiche für die Sinneswahrnehmung der Füße sowie der sexuellen Stimulation dicht beieinander. Der Forscher vermutete, dass es deshalb besonders viele Fußfetischisten gibt. Allerdings erklärt seine Theorie nicht, warum Fußfetischisten ihre Lust nahezu immer auf die Füße anderer Menschen projizieren, kaum jedoch auf die eigenen.

Was bedeutet Fetischismus im sexuellen Zusammenhang?

Grundsätzlich kann jeder Gegenstand zum Fetisch-Objekt für einen Menschen werden. Dies gilt auch für Objekte, die bereits als Sexspielzeug definiert sind – sofern der Fetischist sie alleine durch das Anschauen oder Befühlen zum Objekt seiner Begierde deklariert, nicht aber durch ihre Funktion. Schwieriger fällt die Abgrenzung bei Dessous und Kleidungsstücken mit erotischer Komponente. So können enge Lederleggings einerseits einfach als kleidsam und sexy durchgehen. Fetischisten hingegen interpretieren weit mehr in ein solches Kleidungsstück hinein.

Als Fetisch-Objekt muss ein Gegenstand bestimmte Voraussetzungen erfüllen, um für den Fetischisten als ein solches wirken zu können. So kann ein Fetischist zum Beispiel einen Fetisch für weiße Socken haben, während ihn graue oder schwarze Strümpfe vollkommen gleichgültig sind. Beim Materialfetisch hingegen spielen oftmals verschiedene Sinneseindrücke zusammen, etwa die Optik, die Haptik und der Geruch. Beispiele dafür sind Leder oder Latex.

Die Lieblingssachen sind bei Fetischisten beim Liebesakt dabei

Immer dann, wenn für die Kategorisierung eines Fetisch-Objektes verschiedene Sinne eine zusammenspielen, können Form und Funktion sogar ein Stück in den Hintergrund treten. Viele Latex-Fetischisten können ihren Fetisch also mit einem Gummi-Tuch ebenso befriedigen, wie mit einem Kleidungsstück. Jedenfalls dann, wenn der Fetischist zur Befriedigung seiner Gelüste den Gegenstand lediglich mit den Händen befühlen möchte.

Eine Gemeinsamkeit der verschiedenen Fetische ist, dass sie nicht zwingend mit dem sexuellen Akt zusammenhängen müssen. Vielen Fetischisten genügt es also, das Objekt ihrer Begierde mit ihren Sinnen wahrzunehmen. Dies ist für den Fetischisten eine Ersatzbefriedigung, deren Intensität dem Sex gleichgestellt ist.

Wie wird der Fetischismus ausgelebt?

Wie bereits beschrieben, kann Fetischismus auf unterschiedliche Arten ausgelebt werden. Die Sinneseindrücke spielen dabei eine besondere Rolle: Über die Optik, die Haptik, den Geruch oder den Geschmack eines Objektes verspürt der Fetischist einen Kick, der einer sexuellen Befriedigung entspricht.

Die wahrscheinlich meisten Fetischisten leben ihre Triebe für sich alleine aus (auch dann, wenn sie in einer festen Partnerschaft leben). Dafür versuchen sie, sich möglichst oft und in der von ihnen selbst präferierten Art und Weise mit dem Objekt ihrer Begierde konfrontiert zu sein. Je nach Art des eigenen Fetisch kann dies auch in den Alltag mit einfließen, wenn der Schuh-Fetischist zum Beispiel ein Paar High Heels in seiner Schreibtischschublade verbirgt.

Einige Fetischisten leben aber auch in einer so offenen Partnerschaft, dass sie ihren Neigungen in diesem Rahmen ohne Hemmungen und Scham nachkommen können. Insbesondere beim Material- und Kleiderfetisch bieten sich Optionen für den/die Partner/in, ihr Gegenüber zu unterstützen. Beispiele dafür sind zum Beispiel bestimmte Formen des Kleider-Fetischismus‘, die sich in das partnerschaftliche Liebesspiel integrieren lassen.

Auf den Internetseiten findet man zahlreiche Angebote für Fetischisten

Im Internet findet man darüber hinaus zahlreiche Communities, in denen man auf gleichgesinnte Fetischisten treffen kann. Hier kann man sich untereinander austauschen, den Fetisch in Form von Bildern und Videos teilen und sich natürlich auch zu Dates verabreden. Es gibt zahlreiche Swingerclubs und speziell ausgestattete Locations, die ganz auf die Befriedigung bestimmter Fetische ausgelegt sind.

Selbstverständlich sind Escorts ebenfalls ansprechbar, wenn es um bestimmte Fetische geht. Zwar hat hier jede/r eigene Grenzen, die nicht überschritten werden dürfen. Grundsätzlich gilt aber erst einmal: Erlaubt ist alles, was der Gesetzgeber nicht explizit verboten hat. In diesem Sinne ist alles eine Sache der Absprache.

Sexuelle Vorlieben Entstehung

Die sexuelle Entwicklung des Menschen beginnt bereits vor der Geburt. Allerdings spielt sie auch während der Kindheit eine sehr untergeordnete Rolle und kann auch nicht mit der Sexualität von geschlechtsreifen Menschen verglichen werden. Im Verborgenen beginnen Kinder allerdings bereits früh, den eigenen Körper zu erkunden.

Ab dem Beginn der Pubertät nimmt diese Entwicklung immer schneller Fahrt auf. Durch die vermehrte Ausschüttung von Sexualhormonen wie Testosteron und Östrogen beginnt nicht nur eine körperliche Veränderung. Auch erotische Präferenzen bilden sich nun heraus, die ihre Grundlage in allen Lebensbereichen haben können.

Vorbilder aus der Familie und dem Freundeskreis können eine Rolle spielen, aber auch Idole aus dem Showgeschäft oder dem Internet. Geradezu spielerisch entdecken Teenager in diesem Alter, wie sie sich erotisch stimulieren können. Bilder und Videos können Einfluss auf die Entwicklung haben, müssen dabei aber nicht einmal erotisch oder pornografisch sein. Oftmals finden sich hier aber Schlüsselszenen oder Protagonisten, die man aus unerfindlichen Gründen besonders erotisch findet. Und nicht zuletzt der Freundeskreis und das persönliche Umfeld des Teenagers spielen ins Gesamtergebnis mit hinein.

Sexualwissenschaftler wie Psychologen blicken mit Faszination auf diese Zusammenhänge, können sie aber nach wie vor nicht abschließend erklären oder aktiv beeinflussen. Widerlegt ist jedenfalls die in einigen Kreisen noch immer vertretene Ansicht, dass sich mit bestimmten Einflüssen während der Pubertät verhindern ließe, dass ein junger Mensch homosexuell wird. Die sexuellen Vorlieben können sich ändern, etwa durch das Älterwerden oder veränderte Lebensumstände. Die Sexualität im Ganzen bleibt aber das ganze Leben in ihrer Ursprungsform erhalten.

F 65.1 Fetischistischer Transvestitismus

Fetischistischer Transvestitismus ist ein sexueller Fetisch, bei dem man die Kleidung des anderen Geschlechtes zu Erreichung der sexuellen Erregung trägt und zum Fetisch-Objekt wird.

Im Unterschied zum „normalen“ Transvestitismus geht es hier nicht (oder nur selten) um den Ausdruck der Geschlechtsidentität. Die meisten Menschen, die zum fetischistischen Transvestitismus neigen, sind heterosexuelle Männer. Für diese spielen einzelne weibliche Kleidungsstücke wie Nylons, Leggings oder High Heels eine bedeutende Rolle. Oft wird in diesem Zusammenhang auch vom Cross-Dressing gesprochen.

Fast alle Menschen mit transvestitisch-fetischistischen Neigungen leiden nicht unter selbigen. Sie sind also in der Lage, eine Partnerschaft zu führen und ihren Alltag zu gestalten. Die Verkleidung erfolgt zumeist nur im privaten Rahmen.

Die Motivation und der Umgang mit dem fetischistischen Transvestitismus kann unterschiedlicher Natur sein.

So kann er zu einem erotischen Rollenspiel gehören, ohne dabei zwingend Fetischcharakter zu besitzen.

Möglich ist aber auch der Ausdruck eines klischeehaften Spiels mit den Geschlechterrollen. Beispielsweise kann der als unterlegen betrachtete männliche Part zum Zwecke der Demütigung Frauenkleider anziehen müssen.

Auch wünschen sich einige Männer, im erotischen Spiel eine submissive Rolle einzunehmen, können diese aber nur mit einer Frauenrolle in Einklang bringen.

Masochismus

Der Masochismus ist der Gegenpart zum Sadismus. Namentlich geht er zurück auf Leopold von Sacher-Masoch. Dieser war als Schriftsteller in der Lage, triebgesteuertes Unterwerfungsverhalten auf sehr ästhetische Weise zu formulieren. In der Regel werden beide Gegenpole zusammen als Sadomasochismus bezeichnet. Dieser wird zumeist als ein Beispiel für Fetischismus genannt.

Masochistische Menschen ziehen einen erotischen Lustgewinn daraus, sich von anderen Personen körperlichen Schmerz zufügen zu lassen. Hierbei gibt es verschiedene Techniken, wobei der Einsatz von Schlagwerkzeugen, Nadeln sowie heißem Kerzenwachs am weitesten verbreitet ist.

Ein großer Teil der masochistischen Personen hat, zumindest während des erotischen Spiels, gleichzeitig auch eine unterwürfige Rolle inne. Dies ist für das Ausleben des Masochismus‘ im fetischistischen Sinne allerdings nicht notwendig. Auch muss er nicht zwangsläufig in ein Rollenspiel integriert werden, bei dem es um eine vermeintliche Bestrafung ginge.

Reinen Masochisten geht es um den Schmerz an sich. Es kommt sogar vor, dass Masochisten im erotischen Miteinander tonangebend sind. Sie führen also bei den Handlungen des sadistischen Parts die Regie. Eine solche Konstellation ist auch als „Topping from the Bottom“ bekannt.

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