Psychologische Motive, Verhaltensmuster und der Umgang mit Wichtigtuern

Die Anatomie des Angebers

In unserem sozialen Gefüge begegnen wir immer wieder Menschen, die unaufhörlich den Drang verspüren, sich selbst ins beste Licht zu rücken. Diese Personen, oft als „Angeber“ oder „Wichtigtuer“ bezeichnet, nutzen jede sich bietende Gelegenheit, um ihre vermeintlichen Erfolge, Fähigkeiten und Besitztümer zur Schau zu stellen. Ihr Verhalten kann im Umfeld zu Irritationen und Unmut führen. Doch welche psychologischen Mechanismen stecken hinter diesem Phänomen?

Welche psychologischen Motive, Verhaltensmustern und wie der Umgang mit Wichtigtuern ist, beschreiben wir heute. Warum fühlen sich manche Menschen gezwungen, sich ständig hervorzuheben und wie können wir in Alltag und Beruf konstruktiv mit solch einem Verhalten umgehen? Dieser Beitrag analysiert die vielschichtigen Aspekte des Angebens, von den tief verwurzelten Ursachen über typische Verhaltensmuster bis hin zu Strategien für einen respektvollen und effektiven Umgang mit Angebern.

Psychologische Motive, Verhaltensmuster und der Umgang mit Wichtigtuern
Psychologische Motive, Verhaltensmuster und der Umgang mit Wichtigtuern

Was macht einen Menschen zum Angeber? Eine Definition

Ein Angeber ist eine Person, die ihre Leistungen, Fähigkeiten oder vermeintlichen Erfolge ungefragt und bei jeder passenden (oder unpassenden) Gelegenheit präsentiert. Das Ziel dieses Verhaltens ist es, Aufmerksamkeit zu erregen, Bewunderung zu ernten und sich im Vergleich zu anderen überlegen zu fühlen. Angeberei geht oft mit Übertreibungen, Schönfärberei oder sogar Unwahrheiten einher, um die gewünschte Wirkung zu erzielen. Im Kern steht das Bedürfnis nach Anerkennung, die das Verhalten steuert und legitimiert.

Die Psychologie
der Prahlerei: Ein Blick hinter die Fassade

Um das Phänomen der Angeberei umfassend zu verstehen, ist ein Blick auf die zugrundeliegenden psychologischen Motive unerlässlich. Hinter dem zur Schau stellen des vermeintlichen Erfolgs verbergen sich oft tiefere Unsicherheiten und Bedürfnisse. Die Angeberei kann als ein Versuch interpretiert werden, ein labiles Selbstwertgefühl zu stabilisieren, Anerkennung zu erlangen oder soziale Macht zu demonstrieren.

Minderwertigkeitsgefühle als treibende Kraft: Viele Angeber leiden unter tief verwurzelten Minderwertigkeitsgefühlen. Durch das Prahlen mit ihren Erfolgen und Fähigkeiten versuchen sie, diese inneren Defizite zu kompensieren und ihr Selbstbild aufzuwerten. Die Bestätigung durch andere dient als Ersatz für das fehlende Selbstwertgefühl.

Warum ist man gern „hochnäsig“

Geltungsdrang als Kompensationsmechanismus: Ein übersteigerter Geltungsdrang kann ebenfalls ein wesentlicher Faktor sein. Angeberei wird als Mittel eingesetzt, um sich von der Masse abzuheben und die gewünschte Aufmerksamkeit zu erlangen. Das Gefühl, wahrgenommen und beachtet zu werden, ist für Angeber von zentraler Bedeutung.

Profilneurose als pathologisches Muster: In einigen Fällen kann die Angeberei Ausdruck einer Profilneurose sein, einer zwanghaften Angst, nicht genug zu gelten oder von anderen nicht ausreichend geschätzt zu werden. Das Prahlen dient dazu, die vermeintliche Bedeutungslosigkeit zu kompensieren und sich selbst und anderen den eigenen Wert zu beweisen.

Subtile Angeberei: Wenn sich Selbstlob hinter Beschwerden versteckt

Die Angeberei tritt nicht immer in offener, direkter Form auf. Oftmals bedienen sich Menschen subtilerer Strategien, um sich selbst zu erhöhen. Eine gängige Taktik ist das „Jammern auf hohem Niveau“. Aussagen wie „Ich komme vor lauter neuen Aufträgen kaum noch zum Schlafen“ oder „Seit meiner Beförderung habe ich überhaupt keine Freizeit mehr“ mögen auf den ersten Blick als Klagen erscheinen, transportieren jedoch die Botschaft: „Seht her, wie erfolgreich und unentbehrlich ich bin!“. Diese subtile Form der Angeberei dient dazu, den negativen Beigeschmack des Prahlerischen zu vermeiden und gleichzeitig die eigene Bedeutung hervorzuheben. Studien haben jedoch gezeigt, dass diese Taktik oft nach hinten losgeht, da sie von anderen als unaufrichtig und unsympathisch wahrgenommen wird. (Quelle: Scopelliti, I., et al. (2015). The honest speaker? Inaccurate self-assessments drive self-enhancing behavior. Personality and Social Psychology Bulletin, 41(10), 1311-1325.*)

Typisches Verhalten von Angebern: Muster erkennen und einordnen

  • Angeber manifestieren bestimmte Verhaltensmuster, die es ermöglichen, sie zu erkennen und ihr Verhalten besser einzuordnen. Zu den häufigsten Merkmalen gehören:
  • Fehlendes Wir-Gefühl: Angeberei ist oft von einem ausgeprägten Egozentrismus geprägt. Angeber fokussieren sich auf ihre eigenen Leistungen und vernachlässigen den Beitrag anderer. Teamerfolge werden als persönliche Triumphe dargestellt.
  • Hang zu Übertreibungen: Um Eindruck zu schinden, werden Fakten und Leistungen übertrieben dargestellt. Superlative und Sensationsmeldungen sind an der Tagesordnung.
  • Unfähigkeit, Fehler einzugestehen: Fehler werden geleugnet oder auf andere abgewälzt. Die eigene Fehlbarkeit zu akzeptieren, würde das aufgebaute Image gefährden.
  • Schnelle Schuldzuweisungen: Bei Fehlern anderer wird keine Gelegenheit ausgelassen, um sich selbst zu profilieren und die eigene Überlegenheit zu demonstrieren.
  • Ständige Kommentare und Gesprächsdominanz: Angeberei geht oft mit einem starken Redebedürfnis und dem Drang einher, jede Diskussion zu dominieren. Angeborene Stille ist eine Seltenheit.
  • Geringe Kritikfähigkeit: Auf Kritik reagieren Angeber empfindlich und defensiv, da sie ihr Selbstbild in Frage gestellt sehen.
  • Selbstüberschätzung und Großspurigkeit: Angeberei wird oft von einer übersteigerten Selbsteinschätzung und dem Glauben begleitet, jede Herausforderung mühelos meistern zu können.

Der richtige Umgang mit Angebern: Strategien für den Alltag

Die Interaktion mit Angebern kann anstrengend und frustrierend sein, insbesondere im beruflichen Umfeld. Um dennoch ein konstruktives Miteinander zu gewährleisten, können folgende Strategien hilfreich sein:

Direkte Konfrontation: Sprechen Sie den Angeber unter vier Augen auf sein Verhalten an und äußern Sie Ihre Bedenken. Diese Strategie kann besonders wirksam sein, wenn Sie sich mit anderen Kollegen verbünden und gemeinsam das Problem ansprechen.

Korrektur und Richtigstellung: Entlarven Sie Übertreibungen und Falschdarstellungen. Stellen Sie Fakten richtig und machen Sie deutlich, dass Sie sich von der Angeberei nicht beeindrucken lassen.

Ignorieren und Abwenden: Die effektivste Strategie kann oft darin bestehen, den Angeber zu ignorieren und ihm keine Aufmerksamkeit zu schenken. Nehmen Sie ihm die Bühne, indem Sie Desinteresse signalisieren.

Vor- und Nachteile der Angeberei: Eine differenzierte Betrachtung

Obwohl Angeberei primär als negativ bewertetes Verhalten wahrgenommen wird, können auch positive Aspekte identifiziert werden. Um ein umfassendes Bild zu erhalten, ist es wichtig, die Vor- und Nachteile abzuwägen:

Vorteile
Nachteile
Selbstvertrauen (nach außen): Kann das eigene Selbstvertrauen kurzfristig stärken. Soziale Ablehnung: Kann zu Unbeliebtheit und sozialer Isolation führen.
Karrierefördernd (in Maßen): Kann in bestimmten Situationen Türen öffnen. Geringe Authentizität: Wirkt oft aufgesetzt und unglaubwürdig.
Motivationsschub (kurzfristig): Kann Ansporn für Höchstleistungen sein. Beschädigung von Beziehungen: Untergräbt Vertrauen und Respekt.

Warum werden Menschen zu Angebern? Die tieferliegenden Ursachen

Die Ursachen für Angeberei sind vielfältig und reichen von psychologischen Faktoren bis hin zu sozialen Einflüssen.

Einige der Hauptgründe, warum Menschen zu Angebern werden, sind:

Unsicherheit und Minderwertigkeitsgefühle: Angeberei kann als Kompensationsmechanismus dienen, um innere Unsicherheiten und Minderwertigkeitsgefühle zu überdecken.

Bedürfnis nach Anerkennung und Bestätigung: Angeberei ist oft ein Ausdruck des tiefen Bedürfnisses nach Anerkennung und Bestätigung durch andere.

Sozialer Vergleich und Konkurrenzkampf: In einer wettbewerbsorientierten Gesellschaft kann Angeberei als Mittel eingesetzt werden, um sich von der Masse abzuheben und den eigenen Wert zu demonstrieren.

Vorbilder und soziale Normen: Das Verhalten von Angebern kann durch Vorbilder in der Familie, im Freundeskreis oder in den Medien beeinflusst werden.

Zusammenfassung: Das Phänomen der Angeberei verstehen und konstruktiv damit umgehen

Angeberei ist ein komplexes Phänomen, das von einer Vielzahl psychologischer und sozialer Faktoren beeinflusst wird. Es handelt sich oft um einen Versuch, innere Unsicherheiten zu kompensieren und die Anerkennung anderer zu erlangen. Angeberei kann verschiedene Formen annehmen, von offener Prahlerei bis hin zu subtilen Andeutungen. Um in Alltag und Beruf konstruktiv mit Angebern umzugehen, ist es wichtig, ihre Verhaltensmuster zu erkennen, ihre Motive zu verstehen und angemessene Strategien anzuwenden. Direkte Konfrontation, Korrektur oder Ignorieren können helfen, die negativen Auswirkungen der Angeberei zu minimieren und ein respektvolles Miteinander zu fördern.

Häufig gestellte Fragen (FAQ) zum Thema Angeberei

Was ist der Unterschied zwischen Selbstbewusstsein und Angeberei?

Selbstbewusstsein äußert sich durch ein realistisches Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten und Leistungen, ohne das Bedürfnis, andere herabzusetzen. Angeberei hingegen ist oft von Übertreibung und dem Wunsch nach Aufmerksamkeit geprägt.

Wie kann man einem Angeber die Stirn bieten, ohne einen Konflikt zu riskieren?

Eine Möglichkeit besteht darin, die Aussagen des Angebers sachlich zu hinterfragen und nach konkreten Belegen zu fragen. Zeigen Sie Interesse, aber lassen Sie sich nicht beeindrucken.

Ist Angeberei immer negativ?

Angeberei hat überwiegend negative Konsequenzen für das Umfeld. Die Forschung zeigt, dass die Anerkennung untergraben wird und der Umgang erschwert ist.

Was kann man tun, wenn man selbst zum Angeber neigt?

Versuchen Sie, Ihre eigenen Unsicherheiten zu erkennen und daran zu arbeiten, Ihr Selbstwertgefühl auf andere Weise zu stärken. Achten Sie bewusst auf Ihre Kommunikation und vermeiden Sie Übertreibungen.

Gibt es typische Persönlichkeitstypen, die häufiger zum Angeben neigen?

Menschen mit narzisstischen Zügen, geringem Selbstwertgefühl oder einem starken Bedürfnis nach Anerkennung neigen eher zum Angeben. Jedoch ist es wichtig zu erwähnen, dass es viele verschiedene Faktoren gibt, die einen Mensch prägen und diese nicht verallgemeinert werden sollten.

Quellen:

  • Leary, M. R., & Kowalski, R. M. (1990). Impression management: A literature review and two-component model. Psychological bulletin, 107(1), 34.
  • Scopelliti, I., et al. (2015). The honest speaker? Inaccurate self-assessments drive self-enhancing behavior. Personality and Social Psychology Bulletin, 41(10), 1311-1325.

Monika Sedlmeier

Mein Name ist Monika Sedlmeier, ich bin Heilpraktikerin für Psychotherapie. Meine Passion liegt mir sehr am Herzen, dass alle Menschen glücklich sind oder es leichter werden können, wenn sie es möchten. Ich sehe meinen Gesprächspartner gern mit Lächeln im Gesicht und leuchtenden Augen.

⇓ Weiterscrollen zum nächsten Beitrag ⇓


Schaltfläche "Zurück zum Anfang"